Einfluss der Bodenungenauigkeiten auf das dynamische Verhalten von Schmalgangstaplern

Die allgegenwärtige Forderung nach höherer Leistung fördertechnischer Geräte hat ihre Folgen auch für den Bereich der Schmalgangstapler. Die Hersteller dieser Geräte realisieren bezüglich Tragfähigkeit, max. Fahrgeschwindigkeit, Hubgeschwindigkeit und Fahrbeschleunigung (hier sogar um das 2,5-fache) bei neuen Modellen beträchtliche Verbesserungen. So ist erklärbar, dass in den letzten Jahren die Zahl der Schadens- und Streitfälle bei der Projektierung solcher Lagersysteme stark zunahm. Als nicht funktionstauglich erwiesen sich immer öfter auch normgerechte Böden, die den Toleranzen nach DIN 15185 T1 voll entsprachen. In einigen Fällen waren die dort angegebenen, für das Bauwesen recht engen Toleranzen für die hochdynamischen Stapler immer noch zu grob. In anderen Fällen dagegen scheiterte der effiziente Betrieb des Staplers an Bodenunebenheiten, die von der Systematik der DIN 15185 T1 nicht erfasst werden (z.B. extrem kurzwellige Unebenheiten).

Diese Erkenntnis hat Stapler- und Bodenhersteller veranlasst, eine entsprechende Untersuchung in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl fml zu initiieren. Hierbei sollen die wissenschaftlichen Grundlagen für die notwendige und beabsichtigte Umgestaltung der DIN 15185 T1 geschaffen werden. Es ist zu erwarten, dass diese Umgestaltung sich nicht nur auf die Ermittlung von Grenzwerten beschränken wird. Die gegenwärtige Richtlinie enthält beispielsweise die Bewertung kurzwelliger Bodenunebenheiten nicht. Aus der Erfahrung zeigt sich jedoch ein starker Einfluss kurzwelliger Bodenunebenheiten auf das Schwingungsverhalten des Staplers. Daneben ist jedoch die Praxistauglichkeit einer eventuellen Richtlinienformulierung im Auge zu behalten. Die allgemeine, teilweise negative Einschätzung der Richtlinien anderer Länder bezüglich ihrer praktischen Anwendbarkeit zeigt dies deutlich.

Ziel ist die wissenschaftliche Darstellung des Zusammenhangs der Bodenqualität und dem Schwingungsverhalten des Staplers. Die Untersuchung soll die wichtigen Einflussparameter (z.B. Hubhöhe, Last, Elastizität des Hubgerüsts, Spiel in den Führungen des teleskopierbaren Hubgerüsts, Radelastizität) mit berücksichtigen. Hierfür soll auf das Hilfsmittel der rechnergestützten Simulation, speziell der Mehrkörpersimulation, zurückgegriffen werden, da so Zeit und Kosten sparend fundierte Ergebnisse zu erwarten sind. Damit können umfangreiche Parametervariationen durchgeführt und für ein entsprechend breites Gerätespektrum das Schwingungsverhalten bei unterschiedlichsten Böden simuliert werden. Darüber hinaus lassen sich aus den Modellen zur Schwingungs-untersuchung neuralgische Punkte in der Staplerkonstruktion aufzeigen.

Nach einer grundlegenden Analyse der Belastungen im Betrieb eines Schmalgangstaplers wird die Struktur eines mechanischen Mehrkörpermodells erstellt. Die Abbildung wird im Hinblick auf die relevanten Schwingungsformen, speziell des Hubgerüsts, vorgenommen:

  • Hubschwingung;
  • Biegelängsschwingung;
  • Biegequerschwingung;
  • Torsionsschwingung

Um die im System vorhandenen Elastizitäten in der Untersuchung im erforderlichen Maße zu berücksichtigen, ist die Erstellung eines hybriden Mehrkörpermodells notwendig. Zudem ist aufgrund der Spiele der Rollen im Hubgerüst nichtlineares Schwingungsverhalten zu erwarten.

Wegen der zu erwartenden hohen Komplexität des Modells sowie der Vielzahl an zu variierenden Parametern empfiehlt sich die Zuhilfenahme rechnergestützter Simulationstools. Solche Tools haben sich in den letzten Jahren - nicht zuletzt aufgrund der extremen Zunahme an Rechenkapazitäten in der Informationstechnik - zu leistungsfähigen Softwarepaketen entwickelt, die es gestatten, äußerst realitätsnahe und sehr genaue Modelluntersuchungen vorzunehmen. Im vorliegenden Fall wird das MKS-Simulations-Paket ADAMS 12.0 von Mechanical Dynamics eingesetzt.

Für die Untersuchung werden die in der Praxis auftretenden Böden gruppiert. Zu unterscheiden sind stochastische und periodische Unebenheiten, da für diese Anregungsarten unterschiedliche Systemantworten zu erwarten sind. Die Vermessung von Böden in Schmalganglagern erfolgt nach der Messmethode gemäß der gültigen Norm DIN 15185 T1. Somit enthalten derartige Messungen keine Absolutkoordinaten, sondern Stichmaße für je zwei Verbindungspunkte im Abstand von einem Meter. Eine Übernahme dieser Böden in das Mehrkörpermodell ist somit nicht unmittelbar möglich. Dagegen können für die Simulation Böden "erzeugt" werden, die die in der Praxis auftretenden Gruppen von Unebenheiten sehr gut repräsentieren. Man bedient sich hierfür der Analysemethoden aus dem Bereich der Fahrzeug-Systemdynamik (Anregungsfunktion "weißes", "farbiges" Rauschen).

Zur Verifikation der Simulationsergebnisse erfolgen Messungen (z.B. mit Dehnmessstreifen, Beschleunigungssensoren) an einer Referenzanlage. Diese müssen für alle grundlegenden Arten der Schwingungsanregung durchgeführt werden. Ein Vergleich zwischen Messung und Simulationsergebnis gibt Aufschluss über die Qualität des Modells, welches gegebenenfalls verfeinert werden muss. Das verifizierte Modell ermöglicht im Anschluss eine rasche und umfassende Analyse sämtlicher Einflussfaktoren. In enger Abstimmung mit den im Projekt beteiligten Unternehmen wird aus den Untersuchungsergebnissen ein Konzept für eine Überarbeitung der DIN 15185 T1 erarbeitet. Eine Recherche in Hinblick auf internationale Normen soll Hinweise auf weitere mögliche Konzepte zur normativen Behandlung der Bodenqualität liefern.

 

Das IGF-Vorhaben 14532 N/1 der Forschungsvereinigung Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.