Geschichte des Lehrstuhls für Produktentwicklung

Ein neues Fachgebiet entsteht

Mit dem Thema Konstruktion haben sich schon immer viele Lehrstühle in der Fakultät für Maschinenwesen befasst. Die Konstruktion betraf dabei aber immer spezielle Objekte wie Roboter, Werkzeugmaschinen, Landmaschinen, Flugzeuge oder Versuchseinrichtungen. Da das grundsätzliche Vorgehen aber immer wieder gleich ist, bestand der Wunsch, eine übergreifende Konstruktionsmethodik zu schaffen und zu erproben. Der Lehrstuhl für Konstruktion (heute Lehrstuhl für Produktentwicklung) wurde deshalb 1965 vor allem auf Initiative von Prof. Dr.-Ing. Gustav Niemann, dem damaligen Ordinarius des Lehrstuhls für Maschinenelemente der Technischen Universität München eingerichtet. Er war damit der erste Lehrstuhl in der Bundesrepublik Deutschland, der sich ausschließlich mit dem Fachgebiet Methodisches Konstruieren befasste und auf den Schwerpunkt "Synthese von konstruktiven Lösungen" ausgerichtet war.

Der erste Lehrstuhl für Methodisches Konstruieren in Deutschland

Am 1. April 1965 nahm der neue Lehrstuhl unter seinem ersten Ordinarius Prof. Dr.-Ing. Wolf G. Rodenacker seine Arbeit auf, wobei primär Aufgabenstellungen aus der Kunststoff-, Textil- und Medizintechnik bearbeitet wurden. Als problematisch erwies sich damals vor allem die Raumsituation des Lehrstuhles, der sich in einem angemieteten Altbau in der Hohenzollernstraße befand, in dem das Wasser buchstäblich von den Wänden lief. Dabei blieb es jedoch nicht lange: bereits 1969 musste in den ersten Stock des sogenannten U-Trakts umgezogen werden. Im Dezember 1971 erfolgte dann endlich der bereits mehrmals angekündigte Umzug in das Gebäude des ehemaligen Physik-Departments in der Luisenstraße 37a. Der Personalstand war inzwischen auf insgesamt 15 Mitarbeiter angewachsen.

Trotz aller Widrigkeiten - oder gerade deswegen - wurden unter Leitung von Prof. Rodenacker die wesentlichen Grundlagen der neuen Konstruktionslehre entwickelt. Ihre Erprobung und Erweiterung erfolgte vor allem durch Entwicklungsaufgaben aus der Industrie, manifestiert in dem 1970 beim Springer-Verlag erschienenen Buch "Methodisches Konstruieren".

Professor Ehrlenspiel übernimmt den Lehrstuhl

Am 1. September 1976 übernahm Prof. Dr.-Ing. Klaus Ehrlenspiel, der aus dem Getriebe- und Maschinenelemente-Bereich kam, den Lehrstuhl. Als neuen Schwerpunkt führte Prof. Ehrlenspiel gleich zu Beginn das "Kostengünstige Konstruieren" ein. In enger Zusammenarbeit mit Spezialisten aus der Fertigung und Kostenrechnung der Industrie wurde eine integrierende Vorgehensweise zum technisch-wirtschaftlichen Konstruieren entwickelt. Als weiterer Forschungsbereich kam im Laufe der Zeit das "Rechnergestützte Konstruieren" hinzu. Es wurden zunächst Programme zur Kostenanalyse von Produkten entwickelt, später auch Zusatzmodule rund um CAD, woraus unter anderem ein Unternehmen als Spin-off aus dem Lehrstuhl entstanden ist. Die Erweiterung der "klassischen" Konstruktionsmethodik um diese Forschungsbereiche führte 1995 zur Veröffentlichung des Buches "Integrierte Produktentwicklung" beim Hanser-Verlag.

Mit weiter zunehmendem Renommee des Lehrstuhls, bedingt auch durch seine internationale Spitzenstellung im Bereich des "Kostengünstigen Konstruierens", stieg die Anzahl der Kooperationsverträge mit der Industrie und der Umfang der Förderung durch verschiedene Institutionen. Dadurch vergrößerten sich sowohl der Personalstand als auch die Ausstattung des Lehrstuhls.

Ein neuer Name in einem neuen Gebäude

Am 1. Oktober 1995 hat Prof. Dr.-Ing. Udo Lindemann die Nachfolge von Professor Ehrlenspiel als Leiter des Lehrstuhls übernommen. Unter Prof. Lindemann haben sich die Tätigkeitsgebiete des Lehrstuhls wiederum erweitert, wodurch Themengebiete wie die der Methodenforschung, des Wissensmanagements und der Nachhaltigkeit sowie des Entwicklungsmanagements weiter vertieft wurden. Anfang 1997 erfolgte der Umzug aller Lehrstühle der Fakultät Maschinenwesen in das neue Gebäude in Garching. Am 14. Mai fand die offizielle Einweihung des hochmodernen Fakultätsgebäudes statt. Dadurch haben sich sowohl die Arbeitsbedingungen in der Forschung als auch die Ausbildungsmöglichkeiten weiter verbessert. Im Juli 1999 wurde der Lehrstuhl umbenannt in "Lehrstuhl für Produktentwicklung". Somit wurde der ständigen Erweiterung der Forschungsbereiche des Lehrstuhls Rechnung getragen, der sich mittlerweile mit allen Phasen des Entwicklungsprozesses befasst.

Extraordinariat "Anwendungen der virtuellen Produktentwickung"

Im November 2005 wurde Prof. Dr. Kristina Shea als Leiterin des neu gegründeten Extraordinariats "Anwendungen der virtuellen Produktentwicklung" berufen. Sie leitete zuvor als Associate Professor an der Cambridge University die "Design Synthesis" Gruppe des Engineering Design Centers, danach übernahm sie die "Computational Design & Optimization Initiative" bei der ARUP Group Ltd. Das Extraordinariat war dem Lehrstuhl für Produktentwicklung angegliedert und umfasste neben Prof. Shea maximal acht wissenschaftliche Mitarbeiter/innen. Die thematischen Schwerpunkte des Fachgebiets sind die rechnergestützte Designsynthese und -analyse, Graph- und Formgrammatiken, Optimierung, technische kognitive Systeme und die Entwicklung sowie der Einsatz von CAx Werkzeugen in den frühen Phasen der Produktenwicklung. Prof. Shea folgte im Mai 2012 einem Ruf an die ETH Zürich, wo sie den neu gegründeten Lehrstuhl "Produktentwicklung & rechnerbasierte Methoden" übernahm.