P6: Gezielte Einstellung von Eigenspannungen während der Kaltmassivumformung

Gesamtziel des Projekts ist die grundlegende wissenschaftliche Analyse des Einflusses durch Kaltmassivumformung eingebrachter Eigenspannungen auf die Beanspruchbarkeit von Bauteilen aus austenitischen Stählen. Dabei sollen durch eine mehrstufige Prozessführung während der Kaltumformung gezielt lokale Eigenspannungen erzeugt, deren Entwicklung über die Prozessschritte hinweg sowie die Stabilität und der Einfluss der Eigenspannungen auf die Steigerung der Beanspruchbarkeit unter zyklischer Bauteilbelastung untersucht werden. Besondere wissenschaftliche Herausforderungen stellen dabei die Berücksichtigung der Eigenspannungsentwicklung bei mehrstufigen Fertigungsprozessen sowie der Einfluss umformbedingter Phasenumwandlungen dar. Als Demonstratorbauteile wurden Schrauben aus austenitischen Stählen gewählt. Die Forschungsprogrammatik sieht eine schrittweise steigende Komplexität der Prozesse von einfachen Biegeversuchen zu mehrstufigen, teilweise inkrementellen Prozessen der Massivumformung vor.

Ergebnisse der 1. und 2. Projektphase

Während der ersten Phase standen grundlegende Untersuchungen zur Erzeugung, Messung und Auswirkung von Eigenspannungen (ES) in Kaltumformprozessen im Fokus. Ebenso waren die für die Simulationsmodelle erforderlichen statischen und zyklischen Werkstoffkennwerte für die verwendeten austenitischen Stähle zu bestimmen. Erarbeitete Modelle zur Abbildung der Umformprozesse und der generierten ES sowie deren Stabilität bei zyklischer Beanspruchung konnten erfolgreich zur Vorhersage des Werkstück- bzw. Bauteilverhaltens genutzt werden und zeigten eine gute Übereinstimmung mit dem am Bauteil gemessenen ES.

Bei der röntgenographischen ES-Analyse stellte sich heraus, dass Einflüsse der Werkstoff-Mikrostruktur sowie durch die Umformung bewirkter Gefügeveränderungen der austenitischen Stähle für eine zuverlässige Analyse berücksichtigt werden müssen. Es wurden erfolgreich Messstrategien entwickelt, um trotz grobkörniger und anisotroper Gefüge die Qualität der Messergebnisse sicherzustellen.

Durch die Entwicklung eines Werkzeugsystems, das während des Voll-Vorwärts-Fließpressens durch den aktiven Einsatz eines gesteuerten Gegenstempels eine Druckkraft auf das Werkstück ausübt, konnte ein signifikant günstigerer ES-Zustand erzielt werden. Die Simulation der Eigenspannungen zeigt gute Übereinstimmung mit den durchgeführten Messungen. Damit wird der Einsatz eines Gegenstempels als aktives Element beim Voll-Vorwärts-Fließpressen als wirkungsvolle Methode zur gezielten Verbesserung des Eigenspannungszustands belegt.

In der zweiten Projektphase wurde ein umfassendes Verständnis zu den Einflussfaktoren aus Prozessgrößen und Werkstoffzustand auf die Bauteileigenschaften und die zu erzielenden Eigenschaftsverbesserungen aufgebaut. Neben dem aktiven Gegenstempel aus Projektphase 1 wurde alternativ eine aktive Einstellung der Vorspannkraft durch eine segmentierte Hülse realisiert, womit ebenfalls der ES-Zustand verbessert wird.

Die Stabilität der Eigenspannungen unter Berücksichtigung mehrerer verketteter Umformschritte wurde simulativ und experimentell untersucht. Der Umformprozess erwies sich als robust gegenüber material- und prozessbedingter Störgrößen.

Neben dem gezielten Einstellen der ES wurde ebenfalls der Einfluss des ES-Zustandes auf das Ermüdungsverhalten sowie die Stabilität der ES untersucht.

Ziele der 3. Projektphase

In der dritten Projektphase werden die Erkenntnisse aus den vorherigen Projektphasen genutzt, um die ES-Zustände für Bauteile zu konkretisieren. Die optimalen Spannungsprofile für verschiedene Beanspruchungsszenarien werden mit analytischen Methoden berechnet. Dabei dienen die Erkenntnisse der vorherigen Projektphasen über Höhe und Verteilung der Eigenspannungen, Effekte der durch Verformung bedingten Werkstoffantwort (z.B. Kaltverfestigung, verformungsinduzierte Martensitbildung) und die Grenzen der gezielten ES-Anpassung durch die Prozesstechnik als Grundlagen.

Die Methoden zur Einbringung von ES-Profilen werden weiter optimiert, um das Fenster der erreichbaren ES-Zustände zu erweitern.

Die Kombination dieser beiden Schritte mündet in maßgeschneiderten ES-Auslegungen („Tailored Residual Stresses“ – TaReS) für spezifische Nutzungsszenarien. Es soll ein rechnergestütztes Tool programmiert werden, welches auf Basis der entwickelten Modelle das optimale TaReS ermittelt. Ziel ist hierbei eine einfache Bedienbarkeit für industrielle Anwender.

Ansprechpartner

Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU)

Projektleitung P6.A
Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Peter Groche

Projektbearbeiter
Alessandro Franceschi

Zentrum für Konstruktionswerkstoffe (MPA/IfW)

Projektleitung P6.B
Dr.-Ing. Holger Hoche

Projektbearbeiter
Fabian Jäger

Veröffentlichungen

Übersicht über alle Veröffentlichungen aus dem SPP2013