Forschungsberichte

Vergleich der Eigenschaften mechanisch und hydromechanisch gezogener Blechteile

Matthias Golle

189 Seiten 0 Abbildungen Hieronymus Buchreproduktionsverlag, München, 2003 ISBN 3-89791-327-5

Das hydromechanische Umformen von Blechen ist ein Umformverfahren, von dem eine flexible und wirtschaftliche Herstellung von Blechumformteilen in höchster Qualität erwartet wird.

Die hydromechanischen Umformversuche wurden auf einem Pressensystem mit einem neuartigen Pressenkonzept durchgeführt, dessen besondere Kennzeichen eine mechanische Verriegelung von Stößel und Blechhalter sowie unter der Tischplatte angeordnete Kurzhubzylinder sind.

Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurde u. a. eine allgemeingültige Bedienungsstrategie für die drei Umformstufen Vorformen, Ziehen und Kalibrieren entwickelt. Dies umfasst die werkzeugspezifische Auswahl des Schließzylinderbildes und die werkzeugspezifische Aufteilung der Schließzylinderkraft auf die einzelnen Schließzylinderkreise in Abhängigkeit des Wirkmediumdrucks und der Blechhalterkraft.
Es konnte nachgewiesen werden, dass die Wahl des Schließzylinderbildes bedeutenden Einfluss auf die Verformungen der Tischplatte mit dem aufgespannten Versuchswerkzeug hat. Es ist entscheidend, einen möglichst direkten Kraftfluss in das Werkzeug sicherzustellen.

Es wurde ein Vergleich hinsichtlich des Kraftbedarfs, der Formabweichung und der Formänderungen sowie der Eigenspannungen zum konventionellen Fertigungsverfahren Tiefziehen angestellt:

  • Kraftbedarf: Das hydromechanische Umformen benötigt ca. das Doppelte an Pressenkräften. Zum hohen Kraftniveau tragen neben der vom Wirkmedium auf den Stempel ausgeübten Kraft nicht zuletzt die hohen Reibkräfte innerhalb der hydromechanischen Versuchspresse bei.
  • Formabweichung von der Stempelgeometrie: Sie ist bei hydromechanisch gezogenen Versuchsteile für alle untersuchten Werkstoffe deutlich größer. Als Ursachen konnten Druckspannungen und hohe Spannungsgradienten gefunden werden, die bei steigendem Stempelrückstand während des Ziehvorgangs zunehmend auftreten. Die hohen Spannungsgradienten und Druckspannungen können nur in einem geringen Maße beeinflusst werden. Den größten Einfluss auf die erzielbaren Formänderungen der hydromechanisch umgeformten Versuchsteile hat der Stempelrückstand. Bei den geringsten Stempelrückständen trat die beste Formgenauigkeit auf.
  • Eigenspannungszustand: Er resultiert bei konventionell gezogenen Versuchsteilen aus einer Überlagerung von Restspannungen einer Wechselbiegung mit denen einer elastischen Biegung. Bei hydromechanisch gezogenen Versuchsteilen ist er unterschiedlich. Hier entsteht er aus der Überlagerung der Restspannungen einer Streckbiegung mit den Eigenspannungen einer elastischen Biegung. Für hydromechanisch umgeformte Versuchsteile, die mit geringem Stempelrückstand umgeformt sind, sind nahezu eigenspannungsfreie Bauteilbereiche realisierbar.

Der hydromechanische Umformprozess ist verglichen mit dem konventionellen Tiefziehen erheblich komplexer. Beim konventionellen Tiefziehen ist mit dem vorhandenen Versuchswerkzeug lediglich die Veränderung der Blechhalterkraft erforderlich, um Bauteile in den Versuchswerkstoffen darzustellen. Bei den hydromechanischen Versuchsreihen müssen ca. 6 Parameter angepasst werden. Dabei sind weitere Maschineneinstellungen noch nicht berücksichtigt, die erheblichen Einfluss auf den Umformprozess haben können. Die Prozessauslegung und -steuerung ist deshalb für das hydromechanische Umformen aufwendiger und erfordert, insbesondere für komplexe Formgeometrien, weitere Grundlagenuntersuchungen.

Fazit:
Aus den gewonnenen Erkenntnissen lässt sich feststellen, dass im Widerspruch zu vorangegangenen Untersuchungen anhand von einfachen, rotationssymmetrischen Geometrien die Formgenauigkeit der konventionell gezogenen Bauteile von den hydromechanisch umgeformten Bauteilen im Rahmen dieser Forschungsarbeit nicht erreicht wurde.
Die nächsten sinnvollen Schritte sind, umfangreiche Grundlagenuntersuchungen zur Gestaltung von Ziehanlagen für das hydromechanische Umformen durchzuführen, eine verbesserte Ziehanlage zu entwickeln und diese experimentell zu verifizieren.